Freitag, 29. Mai 2015

"Entziehung des Sorge Recht." Unter welcher Voraussetzung bewegen sich die Gerichte noch in der Legalität!


1. Die Entziehung der elterlichen Sorge gem. § 1666 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet wird und der Sorgeberechtigte nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, die Gefahr abzuwenden, d.h. die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dabei sind Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, gem. § 1666a BGB nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann.
Das Kindeswohl ist im Sinne von § 1666 Abs. 1 BGB gefährdet bei einer gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr, dass sich bei weiterer Entwicklung ohne Intervention eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, FamRZ 2014, S. 907 Tz. 18; BVerfG, FamRZ 2014, 1005 Tz. 28; BGH, FamRZ 2005, S. 344 (346); OLG Hamm, 8. Familiensenat, FamRZ 2004, S. 1664; Palandt-Götz, BGB, 74. Aufl., § 1666 Rz. 8).
Bei der Prüfung der Kindeswohlgefährdung sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann. Eine Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar (BVerfG, NJW 2014, S. 2936 Tz. 17; BVerfG, FamRZ 2015, S. 112 Tz. 22). Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt es nur dann, ein Kind von seinen Eltern gegen deren Willen zu trennen, wenn die Eltern versagen oder wenn das Kind aus anderen Gründen zu verwahrlosen droht. Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat, auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG zukommenden Wächteramts die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (BVerfG, FamRZ 2015, S. 112 Tz. 23BVerfG, FamRZ 2014, S. 1266 Tz. 30; BVerfG, NJW 2014, S. 2936 Tz. 18; BVerfG, FamRZ 2014, S. 907 Tz. 18). Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen (FamRZ 2015, S. 112 Tz. 23; BVerfG, FamRZ 2010, S. 713 Tz. 46; BVerfG, NJW 2014, S. 2936 Tz. 18; BVerfG, FamRZ 2014, S. 907 Tz. 18; Palandt-Götz, a.a.O., § 1666 Rz. 7). Es besteht kein Anspruch des Kindes auf “Idealeltern” (vgl. OLG Hamm, 2. Familiensenat, FamRZ 2013, S. 1994). Die Eltern, deren sozio-ökonomische Verhältnisse, Werte und Verhaltensweisen gehören grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (vgl. BVerfG, FamRZ 2010, S. 713 Tz. 46; Palandt-Götz, a.a.O., § 1666 Rz. 7). Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre (BVerfG, FamRZ 2015, S. 112 Tz. 23; BVerfG, FamRZ 2014, S. 1266 Tz. 30; BVerfG, NJW 2014, S. 2936 Tz. 18; BVerfG, FamRZ 2014, S. 907 Tz. 18; BVerfG, FamRZ 2010, S. 713 Tz. 34). Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BVerfG, FamRZ 2015, S. 112 Tz. 23; BVerfG, FamRZ 2014, S. 1266 Tz. 30; BVerfG, NJW 2014, S. 2936 Tz. 18). Die Trennung des Kindes von seinen Eltern ist allein zu dem Zweck zulässig, das Kind vor nachhaltigen Gefährdungen zu schützen, und darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (BVerfG, FamRZ 2014, S. 1266 Tz. 28; NJW 2014, S. 2936 Tz. 17).

Ämter, Gutachter und Gerichte müssen wieder lernen, dass es für Kinder das Wichtigste ist, dass Sie bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen dürfen. Denn so etwas wie wirkliche Liebe der Eltern, DER Grundstein für die spätere positive Entwicklung, erfahren sie nicht in Heimen und meist auch nicht bei sozialen Eltern.“
Bundesverfassungsgericht   1 BvR 2882/13


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